Die italienische Transavanguardiabewegung (Sandro Chia, Francesco Clemente, Enzo Cucchi, Nicola De Maria, Mimmo Paladino) bestand aus fünf italienischen Malern, die sich vom Ende der 70iger und in den gesamten 80igern international gesehen als die wichtigsten Vertreter der "postmodernen" Stilrichtung darstellten. Sie stellten die Neo-Avantgardebewegung in Frage und setzten sich mit den traditionellen Darstellungsmittel (Malerei, Skulpturen, darstellende oder lyrisch-abstrakte Zeichnung) auseinander. - Sieben Jahre lang habe ich Enzo Cucchi bei seinen Arbeiten, bei Ausstellungen usw. begleitet. Daraus entstand dieses kleine Portrait.
Enzo hat eine andere Sprache, es ist nicht leicht, ihn zu verstehen. Er spricht nicht in logischen Zusammenhängen, sondern eher in Bildern, die allerdings in sich auch nicht immer erkennbare reale Zusammenhänge haben, sondern eher surreal wirken, weil sie weder Gleichniss noch Sinnbild sind. Es scheinen Widersprüche, doch auch seine Widersprüche sind keine Widersprüche. Gegensätze sind nur auf den ersten Blick Gegensätze. Es sind oft auf den ersten Blick nur schön klingende Gegenüberstellungen, manchmal Wortspiele, Assoziationen. Ettore Sottsass nennt Enzos Sprache zurecht "phantastische, ungestüme Worte", die aus einer "kosmischen Leidenschaft" entstehen.
Enzo gehorcht nicht den Gesetzen von Verstand und Vernunft. Das rationale Prinzip spielt für ihn keine Rolle. Seine Gedanken sind rein emotional. Kurz: Enzos Sprache kommt einen Delirium nahe. Wahrheiten tauchen auf und gehen gleich wieder unter. Sie wollen nicht stehenbleiben, weil sie dann ihre Wahrheit verlieren würden. Wie bei den Brasilianern, die nicht gerne festhalten an einer Sache, so läßt auch Enzo alles ständig fließen. Auf die Weise wird der Blick auf die Welt differenzierter, die Welt wird grösser und interessanter für ihn. Feste Gebilde, wie Theorien, können bei Enzo nicht entstehen. Das macht ihn unangreifbar. Aber es macht ihn auch für viele ungreifbar, unbegreiflich. Nur wer sich dem Fluß seiner Worte in Einklang mit dem Fliessen seiner eigenen Gedanken hingibt, versteht diese kosmische Leidenschaft Enzos bei der Suche nach jenem Gold, das es vielleicht garnicht gibt. - Das Suchen ist die Kunst.
Ich glaube, da liegt der Kern Enzos: in seiner kosmischen Leidenschaft bei der Suche. Wie unter einem Wasserfall steht er inmitten der Ereignisse des Lebens und sucht in dem Überfluss, der auf ihn einstürzt. Die Dinge in dieser fliessenden Welt stellen sich meist nur kurz und stückweise dar. Es sind Eindrücke, die zu Bildern, zu Fragmenten unserer Wirklichkeit werden. Enzo versucht sie festzuhalten bevor sie wieder zerfliessen. So werden seine Bilder zu Momentaufnahmen.
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ITALIEN, 24', DV Cam, Farbe
Produktion: Brintrup Filmproduktion/ LICHTSPIEL ENTERTAINMENT