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Via Pia - Der fromme Weg


VIA PIA

Der fromme Weg

PDF des Hörstücks über eine Strasse in Rom Audio des Hörstücks über eine Strasse in Rom

Irgendwann in ihrer zweitausendjährigen Geschichte, hatte ein Papst sie mal Via Pia getauft, "Frommer Weg", diese uralte Strasse, die bei den Römern Via Numentum hieß, und die sich noch heute kilometerweit geradewegs vom Zentrum über den höchsten der sieben Hügel Roms, dem Quirinale aus der Stadt hinauszieht. Eine fromme Strasse? Kann eine Strasse fromm sein? Namen bedeuten nichts. Sie können nichts fassen, so wie man den Klang von Wasser nicht fassen kann. Besonders nicht, wenn man damit soetwas Uraltes, Lebendiges, Unbeschreibliches wie diese römische Straße bezeichnen will. Aber Namen klingen oft schön. Und diese Straße klingt seit zweitausend Jahren. Was können wir ihrem Klang entnehmen?


Rom ist voller antiker Straßen. Aber das, was wir hier "Via Pia" nennen, ist mehr als alle anderen Straßen dieser Stadt. Neben ihrer wichtigen Bedeutung als Einfahrt- und Ausfahrtstraße einst zum Forum Romanum und heute zum Stadtzentrum, ist die Via Pia ein Weg, und zwar der Weg, den unsere Zivilisation in zweitausend Jahren gegangen ist.Von keiner Straße in Rom aus kann man auf soviel Zeugnisse, auf soviel Baukunst aus den verschiedensten Jahrhunderten blicken, wie von dieser. Von den riesigen antiken Denkmälern und Mauern aus der Römischen Kaiserzeit, über die kargen Reste mittelalterlicher Kirchen, die eleganten Paläste der Renaissance, die triumphierenden Fassaden des Barock, die klotzigen Bauwerke und die Pseudo-Baukunst der italienischen Gründerzeit bis hin zu den modernistischen Botschaften und den Standard-Architekturen der sechziger und siebziger Jahre. Bauwerke in und an einer Straße, die uns den Weg beschreiben von der Theokratie zur Demokratie, von der Herrschaft eines Gottes und seiner Priester zur Herrschaft des Volkes, von der Einheit zur Freiheit.


Diesen Weg, den jede Kultur geht, können wir nicht nur anhand der hier konzentrierten Ansammlung von Bauwerken aller Epochen nachvollziehen, sondern auch anhand schriftlicher Zeugnisse. Ob es nun die Antiken selbst sind, Frontinus, Martial oder Seneca, die das pulsierende Leben auf dem Quirinal vor zweitausend Jahren beschrieben haben, oder ob es deutsche Literaten, Künstler und Wissenschaftler sind, die sich von der Attraktion dieser Bauwerke einfangen und vom römischen Straßenleben inspirieren ließen. Sie kamen und kommen noch heute, um in einem der deutschen Institute, die sich an der Via Pia oder in ihrer unmittelbaren Nähe befinden zu studieren, der Villa Malta, der Villa Massimo (Joachim Blüher, der Leiter der Villa Massimo für deutsche Stipendiaten), oder dem Archäologischen Institut.


Aber auch die Menschen kommen zu Wort, die heute in und an der Straße leben und arbeiten: so, Walter Maioli, der Bauer antiker römischer Instrumente, Roberto Danieli, Komponist des Musicals über Romolus, dem Gründer Roms, Mitarbeiter des Grand Hotels, des Hauptbahnhofs usw. – Dazu versuchen Hörbilder den Klang der Straße näher zu bringen: Märkte, Bars, die Militärkapellen vor dem Quirinalspalast (Präsidentensitz), an der Porta Pia, Via Veneto, Filmmusik und –ausschnitte "Dolce Vita, Strassensänger, Strassenmusiker, Hörbilder aus Geräuschen und antiker römischer Musik usw.


Via Pia ist mehr als eine einfache Straße in Rom. Sie besteht aus vielen Tönen, die zusammenklingen zu einem Akkord. An ihrer Oberfläche erscheint sie laut und lebendig wie andere Straßen, aber in den über zweitausend Jahren ihrer Geschichte hat sie eine Seele bekommen, die sich uns nur langsam erschließt. Das ist Teil der Faszination, die von dieser Stadt ausgeht: man wird nie mit ihr fertig.


SPRECHER Hans Bayer, Gisela Claudius, Thomas Lang, Bodo Primus, Christiane Wedel, Joseph Tratnik, Charly Wagner
MUSIK Antonio Vivaldi, Nino Rota, Carlo Gesualdo, Jacquet de Mantua, Ottorino Respighi, Roberto Danieli, Synaulia, Johannes Brahms, Domenico Modugno, Renzo Rossellini, Franz Schubert, Giuseppe Verdi, Gian Francesco Malipiero, Goffredo Petrassi, Luigi Nono, Franco Donatoni
REGIE Georg Brintrup
TONTECHNIK Alexander Hardt
REDAKTION Gabriele Faust
LÄNGE 175 Minuten
ERSTSENDUNG 10.04.2004 um 15:00 auf WDR 3 - 3pm
WIEDERHOLUNG 13.08.2005 um 15:00 auf WDR 3 - 3pm