"Die Macht der Mutter-Sprache" verfolgt den nicht leichten Weg des aus Bulgarien stammenden Schriftstellers und Nobelpreisträgers Elias Canettis zur geistigen Unabhängigkeit. Auf diesem Weg spielten viele Sprachen eine wichtige Rolle.
Die Hauptrolle aber kam der deutschen Sprache zu, zu der Canetti, wie er sagt von der Mutter "vergewaltigt" wurde. In der Familie wurde erst Spanisch, dann Englisch gesprochen. Deutsch war zwischen dem Vater und der Mutter eine Art von Geheim- oder Liebessprache, die die Kinder nicht verstehen sollten. Nach dem frühen Tod des Vaters, übernimmt der schulreife Elias diese Sprache und mit ihr in gewisser Weise dessen Rolle. Die Leidenschaft, die den jungen Elias für die Mutter und die deutsche Sprache im gleichen Maße ergreift, ist ausschlaggebend für seinen weiteren Lebensweg und die Heranbildung zum Schriftsteller.
Aber erst die Loslösung von der Mutter bewirkt schließlich seine geistige Unabhängigkeit. Canettis unauflösliches Liebesverhältnis zu Veza, seiner späteren Ehefrau, wird von der Mutter bis zu ihrem Tode mißbilligt. Das Phänomen der Macht - oft genug am eigenen Leib erfahren - faszinierte und beunruhigte schon den jungen Canetti. Der Gehorsam als Kind, die Abhängigkeit von Befehlen, überhaupt der zwanghafte Mechanismus von Befehl und Gehorsam, dem die Gesellschaft als ganzem ausgesetzt ist, das zu untersuchen, machte er sich als Zwanzigjähriger bereits zur Lebensaufgabe. Erst 35 Jahre später ist das Ergebnis dieser langjährigen Arbeit zur Veröffentlichung reif. "Masse und Macht" Elias Canettis Hauptwerk, erscheint 1960.
SPRECHER | Birgitta Assheuer, Renate Jett, Bodo Primus, Helmut Vogel, Helmut Wöstmann |
MUSIK | Gustav Mahler, Paul Hindemith, Karl Amadeus Hartmann, Alexander von Zemlinsky, Ferruccio Busoni, Kurt Weil |
REGIE | Harald Koerner |
TONTECHNIK | Andra Mammitzsch, Regine Schneider |
REDAKTION | Gerhard Adler |
LÄNGE | 85 Minuten |
ERSTSENDUNG | 1.10.2000 SWR, RadioART: Feature am Sonntag |
WIEDERHOLUNG | 18.8.2002 SWR, RadioART: Feature am Sonntag |